Selbstsicherheit für Rollstuhlfahrer/-innen

Genickdrehbeugehebel , Bild: Walter Gerbracht

In den Monaten September, Oktober und November 2016 fand ausgerichtet durch den Sportverein für Behinderte Bremen e. V. ein Selbstsicherheitskurs für Rollstuhlfahrer (neurologisch) statt. Deren Rehatrainerin hatte einen Artikel über einen Selbstsicherheitskurs für Frauen im Bremer Weser-Kurier gelesen und nahm Kontakt zum Frauen-SV-Kursleiter Hans-Dieter Huwald (5. DAN JJ) auf. Begeistert von diesem Anliegen hat Kursleiter Huwald auf Basis des Ampelprinzips des Deutschen Ju-Jutsu Verbandes die Inhalte der Prävention, Selbstbehauptung und der Selbstverteidigung auf die Belange und Möglichkeiten dieser Rollstuhlgruppe übertragen. Der Kurs fand jeweils zweimal monatlich für jeweils 2 Stunden statt. Die sowohl weiblichen, wie auch männlichen Teilnehmer waren im Alter zwischen 15 und 60 Jahren. Die Grade und Arten der Behinderung waren sehr unterschiedlich. Es waren zum Beispiel Teilnehmer/-innen von MS Erkrankungen bis zur halbseitigen Lähmung dabei.
Basierend auf den Inhalten der Selbstsicherheitskurse des DJJV haben die Rollstuhlfahrer/-innen Inhalte zur Prävention und Selbstsicherheit erhalten, miteinander besprochen und selber erfahren. Der Gewaltbegriff wurde eingehend erörtert und die Teilnehmenden konnten durch eigenes entsprechendes Verhalten üben, nicht als Opfer angesehen zu werden. Die Einschätzung möglicher gefährlicher Situationen wurde erweitert und dadurch wurde die Angst, dass etwas passieren könnte, abgebaut, denn jetzt können schwierige Situationen speziell für Rollstuhlfahrer besser eingeschätzt werden. Das laute und energische Äußern (laut werden) eigener Standpunkte und Reaktionen fand großen Anklang bei den teilnehmenden Rollstuhlfahrer/-innen. Die eigene Wohlfühlzone und Abstandszone wurde erfahren, ausprobiert und gegen potentielle Angreifer durchgesetzt. Die Durchsetzung eigener Interessen zum Selbstschutz wurde mit Rollenspielen eingeübt. Einen großen Raum nahmen die Einschränkungen für Rollstuhlfahrer/-innen aber auch deren Möglichkeiten ein. Dabei waren die gemachten Erfahrungen sehr wichtig.

Gewalt, Bild: Walter Gerbracht
Gewalt, Bild: Walter Gerbracht

Die Einschränkungen des Rollstuhls bei Gewaltaktionen wurde erlebt. Wichtiger waren aber die Erfahrungen, dass niemand den Rollstuhl festhalten kann, wenn die Rollstuhlfahrer/–innen dieses nicht wollen oder auch die Ausübung der Möglichkeiten der Rollstuhlfahrer/-innen mit der Verwendung des Rollstuhl als Abwehrhilfe, zum Beispiel, wie verschaffe ich mir Platz, wie stoppe ich den Angreifer oder wie wehre ich mich aktiv mit dem Rollstuhl. Großes positives Erstaunen und ein Lächeln auf den Gesichtern der Teilnehmer/-innen waren die Reaktionen.
Rollstuhlgerechte Abwehrtechniken und auch speziell auf Rollstuhlfahrer abgestimmte Selbstverteidigungstechniken wurden eingehend geübt. Der mögliche Einsatz von Waffen, Schrill-Alarm, Pfefferspray, etc. wurde gezeigt und mit den Rollstuhlfahrer/-innen eingehend diskutiert. Sowohl das (eigene) Verhalten im Aggressionsfall mit Absetzen von Notrufen als auch die rechtlichen Gegebenheiten wie Notwehr und Nothilfe wurden eingeübt bzw. besprochen. Auch die für Rollstuhlfahrer sehr wichtigen Themen wie „normale Übergriffigkeit der Umwelt“ verbrämt als Hilfe und Respektlosigkeit gegenüber Rollstuhlfahrer/-innen wurden im Kurs bearbeitet.
Die Rollstuhlfahrer/-innen waren sehr erstaunt welche Möglichkeiten sie im und mit dem Rollstuhl haben. Auch die Rollenspiele waren eine gute Möglichkeit sich in einem geschützten Raum auszuprobieren.
Handballenstoß , Bild: Walter Gerbracht
Handballenstoß , Bild: Walter Gerbracht

Aus vermeintlichen Opfern wurden Kursteilnehmer, die aus ihrer für sich gefühlten Opferrolle mental und physisch gestärkt aus dem Kurs kamen. Der Kursleiter Hans-Dieter Huwald wurde mit großem Applaus verabschiedet. Es wurde vereinbart, im März 2017 an einem Nachmittag in einem Auffrischungskurs die erarbeiteten Inhalte zu wiederholen.
Ein besonderer Dank soll noch an Carsten Prüßner, Frauke S. und Andreas W. gehen, die mit ihren Tipps und Hilfen diesen Kurs unterstützt haben.
Ein weiterer besonderer Dank geht an die Reha-Trainerin der Gruppe, Frau Brigitte Nennecke, die mit ihrer Einschätzung der Gruppe dem Kurs die Basis gegeben hat.